Computerabstinenz

Jedes Jahr, wenn es in den Urlaubs geht, dann beginnt die schwerste Zeit im Jahr.
Zwei volle Wochen ohne Computer.
Jetzt ist die Zeit um und ich habe meine Erlebnisse mit der Abstinenz eingetippt.
1. Tag:
Es ist wie jedes Jahr, ich muß die Computerinteressen den Urlaubsinteressen der Familie unterordnen. Ohne Fido, ohne Computer in den Urlaub.
Aus meinem alten TI99 habe ich die Tastatur ausgebaut, eine Leuchtschrift montiert.
Ich schreibe meiner Frau die Antworten beim Frühstück (Willst Du noch Kaffee?
Tip tip tip, tip tip tip tip tip tip! Ja, bitte). Es fördert die Entwöhnung.
2. Tag:
Meine Hände zittern, aber ich schaff es. Leider hat die Tastatur ihren Geist aufgegeben, ich bin gezwungen am Morgen verbal zu kommunizieren.
Das habe ich ja schon Jahre lang nicht gemacht.
3. Tag:
Meine Frau hilft mir im Kampf gegen die Entzugserscheinungen. Während ich meinen Boß angerufen habe (Quiiiiiiiiiitsch Chrchrchrchrchrchrchr tüt tüt tüt), nur um das vertraute Modemgeräusch zu hören, zerlegt sie mir die Kronen Zeitung nach Sachthemen, (Sportteil = Sport.Zeitung,
Anzeigen = Bazar.Zeitung, Politik = NOFUN.Zeitung etc.) und gibt sie in verschiedene Ordner, die ich dann beim Frühstück durchblättere.
4. Tag:
Ich muss mir etwas einfallen lassen. Der Portier im Hotel klingt schon langsam ziemlich sauer, nachdem ich heute 6 Mal nachgefragt habe, ob Nachrichten da sind, und wir haben es erst 10 Uhr.
5. Tag:
Habe heute Ärger mit der Polizei bekommen. Mußte den Jungs vier Stunden lang erklären, warum ich im Halbstundentakt in die Bank marschiere und die Anzeigen (Ich suche, ich biete...) lese.
6. Tag:
Meine Stimmung ist sehr gereizt, meine Hände zittern, ich muß endlich wieder eine Tastatur unter die Finger bekommen und eine Harddisk hören. Der Mann in der Drogerie hat sehr erstaunt reagiert, als ich sein Geschäft stürmte und Herbalife brüllte. Aber ich erhielt leider keine Flames der anwesenden Kunden.
7. Tag:
Ich sehe einen Lichtblick. Unter den Zeitungen in der Hotelhalle habe ich ein neues C64 Magazin gefunden. Irgendwo im Haus muß es noch so ein altes, wunderbares Gerät geben. Ich nehme die Suche auf.
8. Tag:
Ich habe ihn. Ich habe den siebenjährigen Besitzer ausfindig gemacht. Beim Mittagessen konnte ich seinen Teddy entführen. Und damit habe ich Lösegeld (= den C64) erpreßt. Leider handelte der Bub von der ursprünglichen Forderung (C64 + Diskettenlaufwerk + Disketten + alle Spiele) bis auf den C64 alles weg. Aber das macht nichts. Ich habe noch das Magazin und werde ein Spiel eintippen.
9. Tag:
Meine Maschinschreibkenntnisse haben nicht gelitten. Ich tippe seit 31 Stunden, bin auf Seite 48 von 49, in der dritten Spalte, in drei Stunden ist das Programm fertig abgetippt und ich kann spielen.
10. Tag:
Das Aufstehen fällt schwerer, ich muß den Tag positiv sehen. Immerhin lebe ich, bin gesund. Ja es ist wirklich erfreulich, wenn man lebt, wenn man keinen Schlaganfall nur einen kleinen Schreikrampf bekommt, wenn die Frau den ohnehin schon länger leicht defekten Fön ansteckt und die Sicherung durchbrennt.
11. Tag:
Es gibt einen PC im Haus, jawohl, ich habe ihn gefunden. Der Sohn des Hotelchefs hat einen in seinem Zimmer. Ich habe ihn zufällig gesehen, als ich vorbeiging. Heute nachmittag werde ich im 4. Stock ein kleines Feuerchen legen und während das Haus evakuiert wird den PC in mein Zimmer tragen.
12. Tag:
Hat leider nicht ganz so geklappt, wie ich wollte. Die Sprinkelanlage des Hotels war sehr schnell. Ich konnte nur den PC mit Tastatur ohne Bildschirm mitnehmen. Aber ich kann zumindest DIR /S eingeben und höre das geile Ticken der Festplatte.
13. Tag:
Ich habe mir in München schnell die neueste Software besorgt. Ein kleiner 20" Monitor ist auch ins Gepäck gerutscht. Schließlich war er ja günstig und ich wollte immer schon einen haben. Aber zusammen mit Joystick, CD-Laufwerk, einer Kiste Cola und einer riesen Schachtel Notration (Schokolade, Chips, Popcorn) war er wirklich notwendig für die heutige Spielenacht.
14. Tag:
Den Negern in der Sahelzone geht es noch schlechter, ein bißchen noch. Und den Leuten im ehemaligen Jugoslawien auch. Vielleicht sind sie aber auch glücklicher als wir, als ich, denn sie haben keinen PC mit DOS 3.2
15. Tag:
Heimfahrt. Vorher bin ich nur noch gezwungen, den Bildschirm zu verkaufen, damit ich die Hotelrechnung bezahlen kann.